Sven Giegold
Mitglied der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament

Sprecher Europagruppe Grüne

Ministerrat untergräbt Reform der europäischen Finanzaufsicht

Zentrale Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der europäischen Finanzaufsicht könnten dem Rotstift des Ministerrats zum Opfer fallen. Die Österreichische Ratspräsidentschaft legt heute der zuständigen Ratsarbeitsgruppe ein Papier mit Änderungsvorschlägen am Kommissionsvorschlag als Diskussionsgrundlage vor. Das Papier kann als aktueller Verhandlungsstand im Rat gesehen werden, denn die Ratspräsidentschaft hat darin Rückmeldungen der Mitgliedstaaten zu Vorversionen berücksichtigt. In allen drei diskutierten Bereichen – Kompetenzen, Governance und Finanzierung – werden zentrale Vorschläge der Kommission ersatzlos gestrichen und der Status quo weitestgehend erhalten. Nach Abschluss der aktuell laufenden Verhandlungen der Kommissionsvorschläge in Ministerrat und EU-Parlament, beginnen die Verhandlungen der Vorschläge zwischen Ko-Gesetzgebern und EU-Kommission.

 

Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:

 

“Die Blockadehaltung der Mitgliedstaaten bei der Überarbeitung der europäischen Finanzaufsicht  ist eine herbe Enttäuschung für die Bankenunion und die Kapitalmarktunion. Der Rat leugnet die mangelnde Wirksamkeit des aktuellen Systems und stellt nationale Egoismen über die längst überfällige Stärkung der europäischen Finanzaufsicht. Die Mitgliedstaaten lassen eine große Chance für Verbesserungen beim Verbraucherschutz, dem Kampf gegen Geldwäsche und der Anpassung der Finanzmärkte an Umweltrisiken sang- und klanglos verstreichen.

 

Die deutsche Bundesregierung versperrt sich den von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen, geht eine unheilige Allianz mit den Ländern mit laxer Finanzaufsicht ein und stellt sich damit wieder einmal gegen Frankreich. Wer sich wie Deutschland hinter die Kapitalmarktunion stellt, darf sich einer starken europäischen Finanzaufsicht nicht versperren. So setzt man die eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Denn die Kapitalmarktunion kann nur mit einer Finanzaufsicht aus einem Guß gelingen.

 

Mit der Ablehnung jeglicher Stärkung der europäischen Entscheidungsfähigkeit durch ein neues Direktorium (Executive Board) hat sich der Rat leider gegen eine echte Kapitalmarktunion positioniert. Diese Stärkung wäre dringend notwendig, da die nationalen Aufseher bisher regelmäßig Entscheidungen der europäischen Ebene behindern konnten. Viele gesetzliche Kompetenzen der EU-Finanzaufseher wurden daher faktisch kaum genutzt. Einzig erfreulich beim Thema Governance ist der Vorschlag, ein Mitglied des Verwaltungsrats (Management Board) für die Geldwäschebekämpfung zuständig zu machen. Die vom Rat vorgeschlagene Stärkung des Verwaltungsrates ist eine reine Scheinlösung, weil das Gremium nicht mit den relevanten Befugnissen ausgestattet werden soll, wie sie die Kommission für das neue Direktorium vorgeschlagen hat.

 

Auch im Bereich der Aufgaben und Befugnisse der Finanzaufseher sind viele gute Vorschläge der Kommission dem Rotstift der Mitgliedstaaten zum Opfer gefallen. Der Rat verpasst die Chance zu mehr Konvergenz in der Finanzaufsicht und nimmt damit deren dauerhafte Fragmentierung billigend in Kauf. Der Rat will verhindern, dass die ESAs zukünftig in bestimmten Fällen Informationen direkt von Finanzinstituten abfragen dürfen. Die Streichung der Strategischen Aufsichtspläne wird verhindern, dass die nationalen Aufseher künftig die europäische Perspektive stärker in den Blick nehmen. Die sogenannten Peer Reviews zur Überprüfung der Arbeitsweise nationaler Aufsichtsbehörden dürfen nicht unter Eigenregie der nationalen Aufseher bleiben, sondern brauchen um effektiv zu sein einen unabhängigen Vorsitz der ESAs. Geradezu unverantwortlich in Zeiten von Brexit ist die ersatzlose Streichung erweiterter Befugnisse gegenüber Drittstaaten, da Probleme durch Regulierungsarbitrage in der EU noch zunehmen werden.”

 

Link zum konsolidierten Kompromissvorschlag der Ratspräsidentschaft:

https://sg.admk-dev.de/wp-content/uploads/2018/11/2018-11-12-Presidency-proposal-for-a-compromise.docx

 

Link zu den Kommentaren der Mitgliedstaaten:

https://sg.admk-dev.de/wp-content/uploads/2018/11/2018-11-09-replies_by_member_states.docx

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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