Sven Giegold
Mitglied der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament

Sprecher Europagruppe Grüne

EU-Flüchtlingspoltik: Griechenland nicht wieder zum Sündenbock machen

Im Zusammenhang des EU-Innenministertreffens in Amsterdam sind Überlegungen der EU-Kommission, aber auch aus den Mitgliedsstaaten bekannt geworden, nach denen in Griechenland Lager für hunderttausende Flüchtlinge eingerichtet und die Grenze nach Mazedonien nahezu hermetisch abgeriegelt werden sollten. Auch aus Deutschland wurden schwere Vorwürfe in Richtung Athen laut. Im Deutschlandfunk-Interview forderte CSU-Politiker Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Griechenland auf, seine Seegrenze abzuschotten und Flüchtlinge abzuweisen. Er erneuerte darin auch die Forderung seiner Partei nach Obergrenzen für die Flüchtlingsaufnahme. Konkret sagte er: “Und Sie haben recht: Wenn diese Kontingente dann überschritten werden, dann muss an der Außengrenze auch Nein gesagt werden. Dann muss an der Außengrenze auch rückgeführt werden.”

Die Vorwürfe gegenüber Griechenland kommentiert Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament:

 

“Griechenland darf nicht zum Sündenbock in der Flüchtlingspolitik in Europa gemacht werden. Die EU-Kommission und die EU-Länder machen es sich zu einfach, wenn sie allein Athen den schwarzen Peter für eine verfehlte Politik aller Mitgliedsländer zuschieben. Dieses Muster kennen wir schon aus der Eurokrise. Mit lehrerhaften Vorwürfen lenken die EU-Länder von ihrer Unfähigkeit ab, Flüchtlinge fair zu verteilen und eine gemeinsame Außenpolitik in den Krisenregionen zu betreiben. Europa muss verhindern, dass Griechenland nach der Schließung der Grenze zu Mazedonien zu einem riesigen Flüchtlingslager wird.

Zweifelsohne macht auch Griechenland in der Flüchtlingspolitik Fehler. Aber die Seegrenzen abzuschotten und Flüchtlinge zurückzuschicken, läuft auf einen Bruch der Grundrechte hinaus. Das Recht auf Asyl und Schutz vor Bürgerkriegen endet bei keinem Kontingent. Wer wie die belgische Regierung oder EVP-Fraktionschef Manfred Weber Kontingente fordert, bedient sich plumpen Populismus und fordert letztlich den Bruch von Grundrechten.

Die Uneinigkeit zwischen den EU-Ländern darf nicht auf Kosten des schwächsten Gliedes oder gar auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen werden. Die humanitäre Verantwortung Europas kennt keine Grenzen. Eine Politik der Abschottung ist weder mit EU-Recht noch mit den Werten Europas zu vereinen. Eine Obergrenze für Schutzbedürftige ist weder national noch europäisch vorgesehen oder akzeptabel. Jeder Mensch hat laut Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem deutschen Grundgesetz das verbriefte Recht auf die individuelle Prüfung seines Asylantrags. Die Forderung nach abschließenden Kontingenten ist platter Populismus. Kontingentlösungen, die einen sicheren und legalen Fluchtweg für eine definierte Zahl von Bürgerkriegsflüchtlingen beispielsweise aus Syrien bedeuten würden, sind ein wichtiges zusätzliches Instrument, aber sie nehmen weiteren Flüchtlingen kein Recht auf eine Individualprüfung.

Die auch von deutscher Seite beförderte Diskussion um einen “Schengen-Grexit” ist ein unverschämtes Ablekungsmanöver: Die EU-Staaten sollten endlich gemeinsame Lösungen erarbeiten, statt Griechenland zum Blitzableiter zu machen. Griechenland hat schwere Defizite im menschlichen und effizienten Umgang mit Flüchtlingen, aber das Land kann das Flüchtlingsproblem nicht lösen. Das kann Europa nur gemeinsam. EU-Kommissionspräsident Juncker hat die dringende Aufgabe, gegenüber allen Mitgliedsstaaten Druck für eine grundlegende Reform des Dublin-Systems und eine faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU aufzubauen.”

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