Sven Giegold
Mitglied der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament

Sprecher Europagruppe Grüne

Neue EU-Studie: Kampf gegen Steuerhinterziehung ist noch nicht gewonnen

Eine neue Studie der Europäischen Kommission kommt zu dem Schluss, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Jahr 2016 rund 46 Milliarden Euro an Steuereinnahmen durch Steuerhinterziehung von Privatpersonen verloren haben. Allein dem deutschen Fiskus entgingen im Jahr 2016 rund 7,22 Milliarden Euro durch Steuerflucht. Am englischen Finanzamt gingen 8,52 Milliarden Euro vorbei, den französischen Steuerbehörden wurden sogar 10,08 Milliarden Euro zu wenig bezahlt.

Auf der Grundlage einer ähnlichen Methodik wie der Ökonom Gabriel Zucman schätzt die EU-Kommission das globale Offshore-Vermögen auf 7,5 Billionen Euro oder 10,4% des globalen BIP im Jahr 2016. In den Jahren 2015 und 2016 zeigen die Ergebnisse der Studie einen leichten Rückgang des Offshore-Vermögens. Steuerkommissar Pierre Moscovici führt den Rückgang auf internationale und EU-Reformen zur Bekämpfung der Steuerflucht zurück, allen voran die verbesserte grenzüberschreitende Steuerberichterstattung zu Konteninformationen nach dem US Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) und dem internationalen Common Reporting Standard (CRS) beziehungsweise seine europäischen Umsetzung in der Richtlinie zur Verwaltungszusammenarbeit (DAC2).

Schätzungen des Offshore-Vermögens basieren auf der Lücke zwischen internationalen Wertpapiervermögen und -verbindlichkeiten. Theoretisch müssten sich Vermögenspositionen und -verbindlichkeiten weltweit ausgleichen, in der Praxis werden aber mehr Verbindlichkeiten als Vermögenspositionen gemeldet. Der Unterschied wird der zu geringen Berichterstattung von Offshore-Anlagen zugeschrieben. Aus der Höhe des Offshore-Wertpapiervermögens werden die Beträge der internationalen Steuerhinterziehung abgeleitet. Wichtige Vermögenspositionen, die ebenfalls zur Steuerhinterziehung missbraucht werden wie Lebensversicherungsverträge, Bargeld und Immobilien, werden von der Methodik jedoch nicht erfasst.

 

Dazu erklärt Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament:

“Nach 20 Jahren internationaler Anstrengungen gegen Steuerflucht sind die milliardenschweren Steuerschäden immer noch erschreckend. Die Fortschritte der EU und weltweit im Kampf gegen Steuerhinterziehung haben ein weiteres Anwachsen des Offshore-Vermögens verhindern können. Die Studie zeigt aber nur die Spitze des Eisbergs. Viele Steuerflüchtlinge haben Geld von Konten und Depots in Immobilien und intransparente Firmengeflechte verlagert. Darüber sagt die Studie aber nichts, weil es keine Daten über die wirtschaftlich Berechtigten von Immobilien gibt. Es ist daher eine steile These zu behaupten, dass die Schäden durch Steuerflucht in den letzten Jahren gesunken wären. Um Licht ins Dunkel der wirtschaftlich Berechtigten von Immobilien zu bringen, müssen die europäischen Mitgliedstaaten dringend die von der europäischen Geldwäscherichtlinie ab Januar 2020 geforderten nationalen Immobilienregister einführen und diese zeitnah miteinander vernetzen.

Deutschland ist Europas Hauptverlierer der Steuerflucht. Es ist Arbeitsverweigerung der Bundesregierung, dass sie die Möglichkeit der Gruppenanfragen an Steueroasen praktisch nicht nutzt. Das europäische und das internationale Recht ermöglicht längst die Namen der Steuerflüchtlinge zu ermitteln, aber die Bundesregierung lässt eines der wirksamsten Instrumente gegen Steuerflucht ungenutzt. Finanzminister Scholz und die Landesfinanzminister könnten Steuersümpfe ein Stück weit austrocknen, machen es aber nicht. Die Gerechtigkeit wird mit Füßen getreten, wenn Milliardensummen aus Steueroasen nicht zurückgeholt werden.” 

 

Ausgewählte Schaubilder aus der Studie der EU-Kommission

 

 

 

 

 

 

 

 

Studie der EU-Kommission zur Schätzung der internationalen Steuerhinterziehung durch natürliche Personen (auf Englisch):

https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/2019-taxation-papers-76.pdf

 

Studie der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, wonach deutschen Steuerbehörden wegen nicht verfolgter Steuerflucht jährlich bis zu 15 Milliarden Euro an Steuereinnahmen entgehen:

https://sg.admk-dev.de/wp-content/uploads/2019/09/Steuerhinterzieher-konsequent-verfolgen.pdf